Wohnen in der Krise
Seit fast 20 Jahren bietet die Volkshilfe mit ihrem Projekt Thara Bildungs- und Berufsberatung für Rom*nja und Sinti*zze in Österreich. Jedes Jahr veranstaltet sie auch eine Dialogrunde, bei der sich Expert*innen zu unterschiedlichen Themen austauschen. Dieses Mal stand das Thema leistbares Wohnen im Fokus. Hier ein Überblick zur Problemlage und möglichen Lösungen.
Laut Schätzungen leben in Österreich zwischen 40.000 und 50.000 Rom*nja. Der Anteil armutsbetroffener Rom*nja in Österreich ist schwer exakt zu beziffern, da es keine Statistiken dazu gibt. Aus Studien und Berichten geht jedoch hervor, dass Rom*nja in Europa überproportional häufig von Armut betroffen sind. Schätzungen zufolge leben 80% der Rom*nja in der EU unter der Armutsgrenze, verglichen mit etwa 17% der Gesamtbevölkerung.
Ursachen für das hohe Armutsrisiko sind Faktoren wie Diskriminierung am Arbeitsmarkt, schlechtere Bildungschancen, prekäre Wohnsituationen und soziale Ausgrenzung. Besonders vulnerabel sind Rom*nja, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten oder keinen Zugang zu stabilen sozialen Sicherungssystemen haben.
Aus der Forschung weiß man, dass eine Armutslage auch negative Auswirkungen auf die Wohnsituation hat und armutsbetroffene Menschen häufiger in schlechten Wohnverhältnissen leben, als der Rest der Bevölkerung. Laut Statistik Austria wohnen sie zum Beispiel doppelt so oft in dunklen Räumen oder in Wohnungen, die von Schimmel bzw. Feuchtigkeit betroffen sind. Außerdem leben sie dreimal so häufig wie der Durchschnitt in überbelegten Wohnungen – also in Wohnungen, die zu klein sind für die Anzahl der Personen, die darin leben (Statistik Austria 2023).
Danijela Cicvaric, Leiterin des Romano Centro, das sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen und gegen Diskriminierung von Rom*nja und Sinti*zze einsetzt, kann dies aus ihrer Erfahrung als Sozialarbeiterin bestätigen: „Viele unserer Klient*innen wohnen dort wo es sehr laut ist. Viele leben in Wohnungen, die kein Bad oder WC drinnen haben – und das im 21. Jahrhundert in einem reichen Land wie Österreich. Wir haben auch viele Kinder, die kein eigenes Zimmer haben und die Aufgaben zum Beispiel am Küchentisch machen müssen. Wäre ich in der Politik würde ich das Wohnrecht in die Verfassung nehmen. Wohnen ist ein Grundrecht aller Menschen.“
Die hohen Wohn- und Energiekosten tragen das ihre zur Verschärfung der Wohnproblematik bei. Die Mieten im privaten Sektor sind von 2010 bis 2023 um 73% gestiegen (Momentum 2024). Und die Haushaltsenergie hat sich im Jahr 2022, als die Energiekrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, um rund 37% verteuert (Statistik Austria 2023).
Alexandra Adam, Leiterin des Programms Wohnschirm bei der Volkshilfe Wien, appelliert daher an die Politik: „Der Wohnschirm ist ein Hilfsangebot des Sozialministeriums, um bei zu hohen Wohn- oder Energiekosten akut zu unterstützen. Der Wohnschirm ist ein guter Feuerlöscher. Was es aber darüber hinaus braucht, sind mehr Ressourcen in den Beratungsstellen für eine individuelle, bedarfsorientierte Betreuung. Und es darf auch nicht davon abhängen, wo in Österreich ich wohne, ob meine Wohnung gesichert ist oder nicht.“
Menschen, die besonders durch die hohen Wohnkosten belastet sind und Zahlungsschwierigkeiten haben, sind auch stärker von Delogierung und Wohnungsverlust bedroht. Expert*innen rechnen damit, dass es einen Anstieg bei Räumungsklagen und Kündigungen geben wird, sofern die Politik nichts gegen die hohen Wohnkosten unternimmt. Was im schlimmsten Fall droht, ist Wohnungslosigkeit.
Die BAWO, der Dachverband der Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Österreich, setzt sich dafür ein, Wohnungslosigkeit und Wohnungsnot zu bekämpfen und letztlich zu beseitigen. Christian Zahrhuber, zuständig für Grundlagenarbeit und Projekte bei der BAWO, kritisiert die schlechte Datenlage zum Thema Wohnungslosigkeit und das Fehlen nachhaltiger Lösungen auf politischer Ebene: „Offiziell sind 20.000 Menschen wohnungslos in Österreich. Was wir leider nicht haben ist ein sinnvolles Bild von Menschen die ungesichert oder ungenügend wohnen, oder die in einer negativen Abhängigkeit leben müssen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Dunkelziffer doppelt so hoch ist. Was wir jedenfalls wissen ist, dass Wohnungslosigkeit ein strukturelles Problem ist, und kein individuelles. Deshalb braucht es strukturelle Lösungen von der Politik.“
Ob die neue Regierung sich diesen Herausforderungen stellen wird, bleibt zu hoffen. Denn Wohnen sollte ein Grundrecht und unantastbar sein.
Text: Marie Chahrour & Ruth Schink