Mieten stiegen um 80%
Wohnkrise wird zu DER Herausforderung der kommenden Regierung
Die Wohnkrise spitzt sich weiter zu. Die Volkshilfe präsentiert aktuellen Sozialbarometer und ihre Forderungen zum Thema Wohnen
Die Versorgung mit leistbarem Wohnraum ist eine wichtige staatliche Aufgabe. In den vergangenen Jahren wurde der soziale Wohnbau aber massiv zurückgedrängt, mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung. „Wir sehen täglich die Folgen von einem Überlassen des Versorgungsauftrags an die sogenannten „Marktkräfte“. Das funktioniert nur für die Wenigsten. Daher ist uns in der Volkshilfe leistbares Wohnen so ein Anliegen“, stellt der Direktor der Volkshilfe Österreich Erich Fenninger fest.
Nettomieten im privaten Sektor um 80 % gestiegen!
Allein im Zeitraum zwischen 2010 und 2023 sind die Nettomieten privater Mietwohnungen um 80 Prozent gestiegen. „Die hohen Mietkosten sind nicht nur einer der größten Inflationstreiber, sondern sie stellen für viele Menschen im Land mittlerweile eine enorme Kostenfalle dar,“ weiß Tanja Wehsely, Volkshilfe Wien Geschäftsführerin. „Denn immer mehr Menschen, auch aus der sogenannten Mittelschicht, suchen unsere Beratungsstellen auf, weil Sie sich das Wohnen schlichtweg nicht mehr leisten können.“
Sofortmaßnahmen wie der Wohnschirm sind gut und richtig, zeigen aber auch, wo das Problem liegt: Überhöhte Mieten, die Wohnraum immer mehr zum Luxusgut machen. „Rasche finanzielle Hilfen sind notwendig, um Krisen akut zu entschärfen. Prävention bedeutet aber, dass Krisen gar nicht erst entstehen oder wieder auftreten – und wenn doch zumindest frühzeitig abgefangen werden“, so Wehsely.
Schrittweise Schlechterstellung von Mieter*innen
Der spekulationsorientierte Wohnbau und die damit einhergehenden extremen Mietsteigerungen, wurden durch eine schrittweise Schlechterstellung von Mieter*innen begleitet:
- Die 1994 eingeführte, unübersichtliche sowie unzureichend kontrollierte Richtwertmiete führte dazu, dass viele Mieter*innen, regelmäßig viel zu viel Mietzins entrichten.
- Mit der Wohnrechtsnovelle 2000 wurde eine Befristungsdauer von drei Jahren eingeführt, was zu erhöhter Unsicherheit bei Mieter*innen führt. Und Neuvertragsmieten sind dann in der Regel empfindlich teurer als bestehende Mietverhältnisse.
- In mehreren Gesetzesnovellen wurde der Verkauf von geförderten Wohnungen an Mieter*innen ermöglicht. Dieser „Sell-Out“ entzieht Wohnungen dem sozial gebundenen Bestand. So wird der Gewinnorientierung des Marktes Vorrang vor den Bedürfnissen der Bevölkerung eingeräumt.
Aktueller Sozialbarometer zeigt Ängste der Menschen
In ihrer aktuellen, repräsentativen Umfrage der Volkshilfe, durchgeführt von Foresight, zeigen sich die Einstellung der Menschen in Österreich sehr deutlich:
- Sorge über die Leistbarkeit des Wohnens in Österreich weit verbreitet
Fünf von zehn Befragten (50%) machen sich Sorgen, dass sie sich das Wohnen in Zukunft nicht mehr leisten können. Besonders verbreitet sind Sorgen um die zukünftige Leistbarkeit des Wohnens unter den jüngeren Befragten in der Altersgruppe von 15 bis 29 Jahre (62%). Bei Menschen mit einem geringen Haushaltseinkommen bis 1500€ sind es sogar 72%.
- Staatliche Maßnahmen zur Sicherung von leistbarem Wohnen dringend notwendig
Mehr als drei Viertel der Befragten (78%) befürworten die Einführung eines dauerhaften Mietpreisdeckels, um die enorme Kostensteigerung im Mietbereich einzudämmen. Eine noch größere Mehrheit von 84% der Befragten äußert außerdem Zustimmung zu einer verstärkten Schaffung von leistbarem Wohnraum durch den Staat. Auch Menschen mit einem höheren Haushaltseinkommen ab 3501€ befürworten das zu 70%.
- Breite Zustimmung zur Unterstützung einkommensarmer Haushalte durch vergünstigte Energie – fraglich, ob das in die PA passt?
Die Unterstützung einkommensarmer Haushalte durch einen Grundbedarf an Energie zu einem vergünstigten Tarif wird ebenso von mehr als drei Viertel der Befragten (77%) befürwortet. Die Zustimmung ist bei Befragten mit einem geringeren Haushaltseinkommen bis 2500€3 besonders hoch (88%), und bei jenen mit einem höheren Haushaltseinkommen ab 3501€ vergleichsweise geringer (68%).
Die Forderungen der Volkshilfe im Überblick
„Mit Wohnraum spekuliert man nicht, Wohnen ist ein allgemeines Grundbedürfnis. Wir fordern daher von der kommenden Regierung einen klaren Paradigmenwechsel hin zu leistbarem und gutem Wohnen für Alle. Wir sprechen dabei nicht von notdürftigen Mietskasernen aus dem Vor-Vorjahrhundert. Wir sprechen von adäquatem, hochwertigem und leistbarem Wohnraum.“ fordern Fenninger und Wehsely.
Die Volkshilfe fordert daher von der kommenden Bundesregierung Maßnahmen im Kampf gegen die Wohnkrise zu ergreifen. Unter anderem:
- Einfrieren der Mieten für zwei Jahre als Sofortmaßnahme
- Die Reform des Mietrechtsgesetzes samt Vereinheitlichung des Mietrechts sowie
- ein Befristungsverbot
- Betongold-Spekulation einen Riegel vorzuschieben: z.B. durch eine Spekulationsgewinnsteuer aus Grundstücksverkäufen
- ein zentrales Mietrechtsgesetz anstelle komplexer Voll- und Teilanwendungsbereiche
Wohnpolitik zentrales Thema für Wahlentscheidung
Abschließend halten Fenninger und Wehsely fest, dass für zwei Drittel der Befragten (66%) leistbares Wohnen eine wichtige Rolle bei ihrer Wahlentscheidung spielt. „Daher appellieren wir an alle wahlwerbenden Parteien, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und die aktuelle Wohnkrise mit überzeugenden Konzepten ernsthaft zu bekämpfen“, so Fenninger und Wehsely.
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